| Steuerlich abzugsfähige Unterhaltsleistungen können auch durch Naturalleistungen bewirkt werden. Nach einer Entscheidung des Bundesfinanzhofs ist bei der unentgeltlichen Überlassung einer Wohnung an den geschiedenen oder dauerhaft getrennt lebenden Ehegatten die ortsübliche Miete auch dann anzusetzen, wenn die Parteien unterhaltsrechtlich einen betragsmäßig geringeren Wohnvorteil vereinbart haben. |
Hintergrund
Unterhaltsleistungen an den geschiedenen oder dauernd getrennt lebenden Ehegatten sind beim begrenzten Realsplitting bis zu 13.805 EUR pro Jahr als Sonderausgaben abziehbar (§ 10 Abs. 1a S. 1 Nr. 1 Einkommensteuergesetz [EStG]). Hinzu kommen übernommene Beiträge zur Basiskranken- und Pflegeversicherung. Dies bedarf allerdings der Zustimmung des Unterhaltsberechtigten, der die Unterhaltszahlungen seinerseits als sonstige Einkünfte versteuern muss.
Wird der Sonderausgabenabzug nicht beantragt oder fehlt hierzu die Zustimmung des Empfängers der Unterhaltsleistungen, können diese Unterhaltsaufwendungen ggf. als außergewöhnliche Belastungen berücksichtigt werden.
Beachten Sie | Die Unterhaltsleistungen können nur insgesamt entweder als Sonderausgaben oder als außergewöhnliche Belastung berücksichtigt werden.
Verkürzter Sachverhalt |
Der Steuerpflichtige schuldete seiner Ehefrau laut Trennungs- und Scheidungsfolgenvereinbarung einen Trennungsunterhalt von monatlich 600 EUR. Solange die Ehefrau noch im gemeinsamen Haus lebte, wurden 400 EUR als Wohnvorteil der Ehefrau gegengerechnet, sodass der Steuerpflichtige nur 200 EUR monatlich zahlte.
In seiner Einkommensteuererklärung begehrte der Steuerpflichtige dann aber nicht nur einen Sonderausgabenabzug in Höhe von 7.200 EUR (12 x 600 EUR). Für die Nutzungsüberlassung der ehemaligen Familienwohnung sei nicht der in der Trennungs- und Scheidungsfolgenvereinbarung zugrunde gelegte Betrag von 400 EUR, sondern der tatsächliche Mietwert seines Miteigentumsanteils, der mit monatlich 818,07 EUR anzusetzen sei, zu berücksichtigen. Diese Ansicht teilten weder das Finanzamt noch das Finanzgericht Niedersachsen. Der Bundesfinanzhof hingegen bestätigte in der Revision die Sichtweise des Steuerpflichtigen. |
Zunächst ist festzuhalten, dass der Anwendungsbereich des § 10 Abs. 1a Nr. 1 EStG insoweit nicht eröffnet ist, als die Nutzungsüberlassung Gegenstand eines entgeltlichen Rechtsverhältnisses ist. Die entgeltliche (d. h., auf einem Mietvertrag beruhende) Überlassung einer Immobilie an den geschiedenen oder dauernd getrennt lebenden Ehegatten stellt keinen Missbrauch von rechtlichen Gestaltungsmöglichkeiten dar und kann zu Einkünften aus Vermietung und Verpachtung führen, selbst wenn die Miete mit dem geschuldeten Barunterhalt verrechnet wird. Dies hat der Bundesfinanzhof bereits 1996 entschieden.
Dagegen handelt es sich bei einer unentgeltlichen Nutzungsüberlassung (wie im Streitfall) um Naturalunterhalt, der in Höhe der ortsüblichen Miete als Sonderausgaben gemäß § 10
Abs. 1a Nr. 1 EStG berücksichtigt werden kann. Dabei ist die ortsübliche Miete auch dann anzusetzen, wenn die Parteien unterhaltsrechtlich einen betragsmäßig geringeren Wohnvorteil vereinbart haben.
Beachten Sie | Der Bundesfinanzhof hat den Streitfall an das Finanzgericht Niedersachsen zurückverwiesen. Im zweiten Rechtsgang wird das Finanzgericht neben der Ermittlung der ortsüblichen Miete für die überlassene Immobilie insbesondere zu erwägen haben, ob
und – falls ja – in welcher Höhe ein auf die beiden gemeinsamen Kinder entfallender Wohnvorteil bei der Beurteilung der nach § 10 Abs. 1a Nr. 1 EStG abziehbaren Unterhaltsleistungen außer Betracht bleibt.
Quelle | BFH-Urteil vom 29.6.2022, Az. X R 33/20, unter www.iww.de, Abruf-Nr. 232687