Die umsatzsteuerliche Abgrenzung zwischen der mit 7 % ermäßigt besteuerten Speisenlieferung und der mit 19 % regelbesteuerten Restaurationsleistung hat für die betroffenen Unternehmer oftmals erhebliche finanzielle Auswirkungen. Zu diesem streitanfälligen Praxisthema hat das Bundesfinanzministerium nun auf Basis der aktuellen Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs sowie des Bundesfinanzhofs ein umfangreiches Schreiben veröffentlicht.
Nicht einzubeziehende Dienstleistungselemente
Ob der Dienstleistungsanteil bei der Speisenabgabe überwiegt, sodass eine mit 19 % zu versteuernde sonstige Leistung vorliegt, ist nach dem Gesamtbild der Verhältnisse des Umsatzes zu beurteilen.
Dabei bleiben Dienstleistungselemente, die notwendig mit der Vermarktung von Lebensmitteln verbunden sind, bei der Prüfung unberücksichtigt. Hierbei handelt es sich u.a. um folgende Elemente:
– Zubereitung der Speisen,
– übliche Nebenleistungen (z.B. Verpacken, Beigabe von Einweggeschirr oder -besteck),
– Bereitstellung von Einrichtungen und Vorrichtungen, die in erster Linie dem Warenverkauf dienen (z.B. Verkaufstheken und -tresen sowie Ablagebretter an Kiosken, Verkaufsständen, Würstchenbuden etc.).
Hinweis: Kommt bei der Speisenabgabe neben der Beförderung keine andere unterstützende Dienstleistung hinzu, handelt es sich stets um eine steuerbegünstigte Lieferung. Die Sicherstellung der Verzehrfertigkeit während des Transports (z.B. durch Warmhalten in besonderen Behältnissen) ist ein unselbstständiger Teil der Beförderung und daher nicht gesondert zu berücksichtigen.
Einzubeziehende Dienstleistungselemente
Nicht notwendig mit der Vermarktung von Speisen verbundene und damit für die Annahme einer Lieferung schädliche Dienstleistungselemente liegen vor, soweit sich der Unternehmer nicht auf die Ausübung der Handels- und Verteilerfunktion des Lebensmitteleinzelhandels und des Lebensmittelhandwerks beschränkt.
Beispielsweise sind die folgenden Elemente nicht notwendig mit der Vermarktung von Speisen verbunden und daher im Rahmen der Gesamtbetrachtung zu berücksichtigen:
– Gestellung von Bedienungs-, Koch- oder Reinigungspersonal,
– Servieren der Speisen und Getränke, Nutzungsüberlassung von Mehrweggeschirr oder -besteck,
– Überlassung von Mobiliar (z.B. Tischen und Stühlen) zur Nutzung außerhalb der Geschäftsräume des Unternehmers.
Hinweis: Haben die Gegenstände (Geschirr, Platten etc.) vornehmlich eine Verpackungsfunktion, ist auch die anschließende Reinigung bzw. Entsorgung dieser Gegenstände bei der Gesamtbetrachtung nicht zu berücksichtigen.
Einbeziehung von Tischen, Stühlen etc.
Als Dienstleistungselement zu berücksichtigen ist insbesondere die Bereitstellung von Vorrichtungen, die den Verzehr der Speisen und Getränke an Ort und Stelle fördern sollen (z.B. Räumlichkeiten, Tische und Stühle oder Bänke, Bierzeltgarnituren). Auf die Qualität der zur Verfügung gestellten Infrastruktur kommt es nicht an, sodass eine Abstellmöglichkeit für Speisen und Getränke mit Sitzgelegenheit für die Annahme einer sonstigen Leistung ausreicht.
Dienen die Vorrichtungen demgegenüber nicht in erster Linie dazu, den Verzehr von Speisen und Getränken zu erleichtern, sind sie nicht zu berücksichtigen. Als Beispiele nennt das Bundesfinanzministerium Stehtische und Sitzgelegenheiten in den Wartebereichen von Kinofoyers sowie die Bestuhlung in Kinos, Theatern und Stadien, Parkbänke im öffentlichen Raum, Nachttische in Kranken- und Pflegezimmern. Dies gilt auch dann, wenn sich an diesen Gegenständen einfache, behelfsmäßige Vorrichtungen befinden, die den Verzehr fördern sollen (z.B. Getränkehalter, Ablagebretter).
Hinweis: Darüber hinaus sind auch behelfsmäßige Verzehrvorrichtungen (z.B. Verzehrtheken ohne Sitzgelegenheit
oder Stehtische) nicht zu berücksichtigen.
Beispiel
Der Betreiber eines Imbissstands gibt verzehrfertige Würstchen, Pommes frites usw. an seine Kunden in Pappbehältern oder auf Mehrweggeschirr ab. Die Kunden erhalten dazu eine Serviette, Einweg- oder Mehrwegbesteck und auf Wunsch Ketchup, Mayonnaise oder Senf. Der Imbissstand verfügt über eine Theke, an der
Speisen im Stehen eingenommen werden können. 80 % der Speisen werden zum sofortigen Verzehr ausgehändigt. 20 % der Speisen werden zum Mitnehmen abgegeben. Der Betreiber hat vor dem Stand drei Stehtische aufgestellt.
Lösung: Es liegen insgesamt begünstigte Lieferungen vor, die mit 7 % zu versteuern sind. Die Dienstleistungselemente führen im Rahmen einer Gesamtbetrachtung auch hinsichtlich der vor Ort verzehrten Speisen nicht zu einer sonstigen Leistung. Auf die Qualität der Speisen und die Komplexität der Zubereitung kommt es nicht an.
Beispiel
Gleicher Sachverhalt wie zuvor, jedoch verfügt der Imbissstand neben den Stehtischen über aus Bänken und Tischen bestehende Bierzeltgarnituren, an denen die Kunden die Speisen einnehmen können.
Lösung: Soweit die Speisenabgabe zum Mitnehmen erfolgt, liegen hier begünstigte Lieferungen (7 %) vor. Werden die Speisen jedoch zum Verzehr vor Ort abgegeben, handelt es sich um sonstige Leistungen (19 %), da mit der Bereitstellung der Tische und der Sitzgelegenheiten die Schwelle zum Restaurationsumsatz überschritten wird.
Hinweis: Auf die tatsächliche Inanspruchnahme der Sitzgelegenheiten kommt es nicht an. Maßgeblich ist die Absichtserklärung des Kunden, die Speisen vor Ort verzehren zu wollen.
Praxishinweise
Die vorgenannten Abgrenzungskriterien geben die neue Verwaltungsmeinung auszugsweise wieder. Betroffene Unternehmer (z.B. Betreiber von Imbissständen, Catering-Unternehmen, Mahlzeitendienste etc.) sollten sich mit den Abgrenzungsmerkmalen ausführlich auseinandersetzen.
Das Schreiben des Bundesfinanzministeriums ist (rückwirkend) ab dem 1.7.2011 anzuwenden. Es wird allerdings nicht beanstandet, wenn sich der Unternehmer für vor dem 1.10.2013 ausgeführte Umsätze auf die bisherige Verwaltungsmeinung beruft, sofern diese eine günstigere Besteuerung vorsieht (BMF-Schreiben vom 20.3.2013, Az. IV D 2 – S 7100/07/10050-06).